Bericht aus Pariivka (Juni 2024)
Liebe Freunde, Freundinnen und UnterstützerInnen, Housi ist vor wenigen Tagen wieder aus Pariivka zurückgekehrt. Neben den unglaublichen Zerstörungen, welche meist auch in der Schweizer Presse erwähnt werden, hat der Krieg auch Auswirkungen auf diejenigen Menschen, welche in ihrem Heimatland geblieben sind und ihrer Arbeit und ihren Pflichten nachgehen, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat…
Housi’s Eindrücke von seinen regelmässigen Arbeitsaufenthalten in Pariivka
Letztes Jahr war ich fünf Mal in Pariivka. Dieses Jahr bereits dreimal, Ende Juni das letzte Mal. Viele Freunde fragen mich, wie es dort gehe. Eine kurze Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Drum hole ich etwas aus. Illinzi und Pariivka wurden nie bombardiert. Gottseidank zu unwichtig. Aber, immer wieder fliegen nachts Drohnen und Raketen über das Dorf. Gerade in der letzten Nacht vor meiner Abreise waren extreme Detonationen zu hören. Vermutlich Abwehr einer Rakete. Das ist unheimlich und gleichzeitig auch abstrakt. Ich bin jeweils etwa zwei Wochen vor Ort, konzentriere mich auf mein Arbeitsprogramm. Der Krieg ist nicht oft das Thema bei meinen Gesprächen. Es ist spürbar, dass viele nicht gerne darüber sprechen. Und wenn man sich dann noch in unserer ländlichen Idylle befindet, besteht das Risiko, dass man denkt, es sei alles gut. Aber die Leute auf unserem Betrieb leiden enorm. Natascha, sie leitet unsere Käserei. Ihr Bruder ist seit Monaten im Krieg. Zuvorderst an der Front. Manchmal hört sie nichts von ihm über lange Zeit. Ihr ist nichts anzumerken. Sie ist tapfer und konzentriert sich auf die Arbeit. Ende Juni durfte der Bruder nach über einem Jahr für zehn Tage nach Hause. Natascha war überglücklich. Am 1. Juli muss er zurück nach Bachmut… Artiom und sein Bruder Mark leben mit Ihren Familien im Haus von Thomas. Zu zehnt. Seit über zwei Jahren. Drei Generationen in drei Zimmern. Artiom und Mark arbeiten auf unserem Betrieb. Sie stammen aus dem Donbass, aus der Region der Stadt Wolnowacha, zerstört und zurzeit in russischer Hand. Sie haben alles verloren. Mark lächelt oft und macht gerne Witzchen. Die Eltern von Artioms Frau Marina sind 2022 bei einem Artilleriebeschuss ums Leben gekommen. Als ich Marina darauf getroffen habe, war ihr nichts anzumerken.
Jeden Tag bangen wir um das Leben unserer Mitarbeiter an der Front: Sascha, Katschan, Roman, Bogdan, Sergej… Zwei ehemalige Mitarbeiter sind gefallen. Mischa, er hatte auch bei uns gearbeitet, wurde schwer verwundet. Nach längerem Spitalaufenthalt ist er nun zu Hause. Er hat ein Auge und das halbe Gehör verloren, Frakturen am Becken und ein zerschmettertes Bein. Mischa hat vier Kinder und war freiwillig an der Front. Vadym, unser Partner und Betriebsleiter, hat die Möglichkeit, Anträge zu stellen um Mitarbeiter als besonders wichtig für ein halbes Jahr vor dem Einzug in den Krieg zu verschonen. Mit diesen Listen muss er jedes Mal einen anderen Parcours absolvieren und es ist immer ein Lauf gegen die Zeit und gegen die Rekrutierungsbehörden. Ein konstanter Riesenstress für Vadym. Etwa einmal in der Woche wird ein Gefallener nach Illinzi transportiert. Wer kann, begibt sich dann an die Strasse. Der Leichenwagen wird von zwei Polizeiautos eskortiert. Vor der Durchfahrt knien die Menschen hin und werfen Blumen vor dem Leichenwagen. In Illinzi ist für jeden Gefallenen vor dem Rathaus ein Portrait mit der ukrainischen Flagge aufgestellt. Der Platz ist voll. Jedes Mal, wenn ich dort durchgehe, habe ich eine Faust im Magen. Es ist für alle sehr hart. Aber unser Betrieb ist seit Kriegsausbruch ein standhafter Faktor. Zumal wir in der Nahrungsproduktion sind, ist die Nachfrage nach unseren Gütern nicht eingebrochen wie in anderen Sektoren. Alle Mitarbeiter erhalten ihren Lohn. Und zusätzlich zum Betrieb können wir dank der Unterstützung aus der Schweiz eine aktive Rolle spielen, wo Not herrscht.
Eure Unterstützung via Zoloti Luky
Zum Beginn der Invasion hatten wir Geld gesammelt, um auch das Überleben unserer Farm und die Arbeitsplätze abzusichern. Unser Betrieb kann sich wie berichtet seit 2023 wieder selbständig finanzieren, so dass alles gespendete Geld als Hilfe an Dritte verwendet wird. In den ersten 5 Monaten konnten wir, dank Reserven aus dem letzten Jahr und weiteren Einzahlungen, Hilfeleistungen von durchschnittlichen knapp CHF 4’000 pro Monat aufrechterhalten. Je nach Kontostand geben wir jeweils ein Limit für die nächsten Monate vor. In diesem Rahmen entscheiden unsere Leute vor Ort, wie und wo das Hilfsgeld gut eingesetzt wird.
Wenn wir nun unsere Unterstützung auf dem aktuellen Niveau weiterführen, so wird das Hilfskonto bei der BEKB etwa Ende September leer sein.
Wie gerne würden wir die Hilfen einmal auslaufen lassen, das Hilfskonto auflösen und euch berichten, dass die Leute wieder normal, ohne unvorhergesehenes unnötiges Leid leben können? Doch wir müssen uns auf eine weitere, längere Zeit der Zerstörung einstellen. Angesichts des andauernden Leids versuchen wir die Hilfen auch über den kommenden Winter aufrecht zu erhalten, denn der Winter wird wohl für viele sehr hart sein.
Eure Spenden sind daher weiterhin sinnvoll und wir sind sehr dankbar, wenn wir vor dem kommenden Winter wieder etwas Reserve auf dem Hilfskonto haben.
Hier die Koordinaten des Unterstützungskontos von Zoloti Luky:
Bank: Berner Kantonalbank AG, Bundesplatz 8, 3011 Bern
IBAN-Nummer: CH81 0079 0016 5854 6841 2
lautend auf: Graf Thomas & Ryter Hans in 3237 Brüttelen
Bitte gebt bei der Einzahlung eure Emailadresse an, damit wir euch von Zeit zu Zeit per E-Mail berichten können.
Herzlichen Dank, auch im Namen aller Mitarbeiter und Betroffenen
Vadym, Thomas, Hans